Samstag, 8. März 2008

Stefan Zweifel schreibt über Jonathan Littell

Stefan Zweifel freute sich. Da ging es wieder einmal um Scheisse, und mit Scheisse kannte er sich aus. Schon immer hatte ihn interessiert, wie Literatur Exkremente in Fluss bringt und so die Erwartungen des Lesers unterspült. De Sade hatte er bereist übersetzt, in Basel die Situationisten fertig gemacht. Stefan Zweifel interessierte sich dafür, dem analen Charakter auf die Spur zu kommen. Auf die Bremsspur, könnte man sagen. Was blieb da noch übrig? Es gab aktuell nur eines zu tun: Max Aue, der SS-Mann aus Jonathan Littells «Die Wohlgesinnten». 

Stefan Zweifel sass vor seinem Arbeitstisch. Plötzlich ärgerte er sich über sich selbst. Hatte er eben gerade den deutschen Titel des Buches gedacht? Natürlich musste es «Le Bienveillantes» heissen. Das Original geht vor. Übersetzt, das war für Stefan Zweifel wie nicht gelesen. Und gerade Jonathan Littell pflegte aktuell die schönste Sprache des exkremental-erotischen Exzesses. Das ging ja im ganzen Mediengesuhle völlig unter: Die Übersetzung! Wer wagt sich schon ans französische Original? Doch Stefan Zweifel! Die deutsche Version ist nämlich «überkorrekt», das verstimmte Stefan Zweifel. «Überkorrekt» war ein Wort, das für ihn alles Elend der Welt bestimmte. «Anal» war ein Wort, das ihn interessierte. 

Stefan Zweifel streichelte über den Einband der französischen Originalausgabe von «Les Bienveillantes». Er sinnierte. Den «Dreck»-Vorwurf musste er sich schon oftmals anhören. «Kitsch» heisst es ja immer, wenn etwas nicht intellektuell beglaubigt ist, vom Feuilleton nicht geadelt und von den als lesenswert ausgeflaggten Kritikerspiessern nicht affirmativ durchgewunken wurde. Das wusste Stefan Zweifel nur zu gut! Dabei ist doch dieser Vorwurf selbst Kitsch! Stefan Zweifel hatte eine Idee. Er hielt beim Streicheln inne und tippte folgenden Satz: «Auffällig oft ist bei den Kritikern von Kitsch und Dreck die Rede, wobei diese Kombination selbst schon Kitsch ist und an dunkle Zeiten erinnert.»

Da hatte er es aber gesagt! Ob der Leser weiss, welche dunklen Zeiten er meint? Bestimmt, schliesslich ist der Leser nicht jene unterbelichtete Tresenkraft, als dem man ihn sich gern vorstellt. Womöglich hat er sogar schon Literatur im Original gelesen! Stefan Zweifel grunzte zufrieden. Er hatte wieder einmal Dreck in die Zeitung gebracht, und niemand hatte ihn gemahnt, die Schuhe abzuwischen.   

http://www.dasmagazin.ch/index.php/Der_Kritiker:_Littellaturstreit

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